«Happiness and Sadness» am Schaffhauser Jazzfestival 2021

Jazzfestival Schaffhausen, es ist Samstag Abend – Gerade eben noch fühlten wir uns locker und beschwingt mit Florian Weiss und seinen Woodoism.

Doch jetzt nachdem Irina mit Ihren Musikern (Grünes Blatt) die Bühne betreten haben und der Platz von Urs Vögeli* leer bleibt, liegt der Schmerz und Verlust um Urs beklemmend und schwer wie Blei auf unseren Seelen. Es herrscht Totenstille für einen unendlich langen Moment. Betroffenheit und Anteilnahme wechseln sich in kaum erträglicher Langsamkeit ab, bevor die Künstler sich an die schwere Aufgabe machen ihre Lieder darzubieten. Sie tun es souverän. Urs scheint ständiger Begleiter in der Band zu sein. Irina, mehr als einmal den Tränen nah, singt mit unglaublicher Präsenz und Intensität. Nach der zweiten Pause weicht die Trauer und der Schmerz der überschäumenden Begeisterung um Greenwoman. Malcolm Braff, Claire Huguenin  und Lukas König zeigen wo der Hammer hängt. Traumhaftes Klavierspektakel, wunderschöne variantenreiche Stücke, beeindruckende Dynamik und bestechende Arrangements verwöhnen unsere Ohren. So muss Musik klingen! Für kurze Augenblicke fühlt man sich schuldig ob der Begeisterung, wo doch Urs nicht mehr ist! Musik weckt Gefühle in uns über die ganze Bandbreite hinweg. Die Ambivalenz in uns gehört zum Mensch sein! So wird der Abschlussabend in meiner Erinnerung bleiben.

Die Jazznächte von Mittwoch bis Freitag in Schaffhausen

Bleiben wir beim Thema. Die Mannigfaltigkeit der Jazzmusik widerspiegelt sich an den Auftritten von Solisten wie Christian Weber am Bass oder Béatrice Graf an ihren selbstgebastelten Klangkörpern. Für mich waren die Auftritte vom Arthur Hnatek und KALI Trio herausragende Momente. Zeigten sie doch junge Formationen, die neue Wege gehen und mit Sicherheit eine andere Fangemeinde zu begeistern vermögen. Das KALI Trio mit New Minimal, Ambient und Noise nimmt uns von den ersten Klängen mit auf die Reise durch ihr musikalisches Universum. Es fühlt sich an, wie eine Klangreise zu einer unbekannten Galaxie. Die Stücke verschmelzen zu einer Gesamtkomposition begleitet von spärlich aber geschickt getimten Lichteffekten. Kein Wunder, dass diese Band ihr Schaffen in wenigen Wochen in Montreux am Jazzfestival untermalt vom Glanz des Lac Léman erneut zeigen darf. Das Arthur Hnatek Trio war für mich der perfekte Auftakt am Mittwoch. Er zelebriert die elektronische Kultur im Jazz, ohne diesen zu verleugnen. Auch hier erleben wir Gegensätze die sich gekonnt zu einem Guss vereinen. Apropos Vereinigung. Der Schlagzeuger Lionel Friedli vereint an diesem Abend nicht weniger als alle Bands als Drummer. Nach dem soliden Auftritt von Traveling schafft Nicolas Masson eine meditative Verschnaufpause vor Andreas Tschopp und seinen Burbaran. Wir werden auf die musikalische Reise durch Java und Bali entführt. Fremdländisch faszinierende Klänge finden hier ihren Höhepunkt des Abends.

Nach dem Festival ist vor dem Festival

Das war sie, meine persönliche Reise durch vier Tage Jazz in der Kammgarn. Da gibt es viele Dinge, die ich nicht in Worte fassen kann. Gespräche mit lieben Freunden, neue Bekanntschaften mit Fotografenkollegen. Körper die im Rhythmus des Jazz wippen. Das Glitzern in den Pupillen der Musiker, das leichte Zittern der Hände an den Instrumenten, bevor die Finger ihren Weg sicher an Seiten und Tasten finden. Musik lebt und belebt. In diesem Sinne, auf zur Vorbereitung zum 33. Jazzfestival und «Chapeau!».

* Der 1976 geborene Vögeli lebte in Schaffhausen und war Absolvent der Musikhochschule Luzern. Er spielte neben der Gitarre auch Dobro, Lapsteel und Banjo. Seine musikalische Vielseitigkeit führt ihn mit Musikern aus verschieden Bereichen zusammen.

Nebst seinem Jazzquartett «flyOut» arbeitete er mit der Jazzcrossover Band «Ghost Town» sowie als Solokünstler «Voegeli Solo, und er war Mitglied der Space-Folk Combo «Grünes Blatt». 

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