Nun ist er also vorbei, mein erster Einsatz im Hallenstadion. Hier mein Erlebnisbericht zum Event.
Ich war sehr angespannt weil fast alles für mich Neu war. Ein Vertrag musste unterschrieben werden, ein neuer unbekannter Veranstaltungsort und eine Band, die kompromisslos ihr Urheberrecht durchsetzt. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Fotografen sich im Graben tummeln würden. Aber wie so oft es kommt es anders als man denkt. Zu meinem Erstaunen waren wir nur vier Fotografen. Wir hatten also genügend Platz im Graben. Weiter erstaunlich war, dass keine Vorkehrungen getroffen wurden um die Vorband zu fotografieren. Das machte die Aufgabe nicht einfacher, denn: wir hatten alle keine Ahnung wie das Licht sein würde und welche Brennweiten an unseren Objektiven die Besten sein könnten. So gingen wir vier also mit dem Live-Konzert Standard 70-200 f2.8 zur Arbeit. Die meisten von uns hatten ihre Hausaufgaben gemacht und wir wussten welches Lied kommen würde und wie lange wir Zeit hätten. 6:30 Minuten war das magische Zeitfenster. Eine Kollegin war vom Tagesanzeiger, wir anderen von drei verschiedenen Metall Online Magazinen. Die Betreuung vor Ort war supertoll und sehr professionell. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Ganz pünktlich um 21:00 h ging es los. Wir wurden via Portierloge direkt zum «PIT» begleitet. Die Türe zum Hallenstadion geht auf…alles ist dunkel. Wir tauchen ein in eine jubelnde Menge. Nur noch wenige Sekunden, wir stellen uns der Reihe nach vor der Bühne auf. Meine Kameras sind im Bereitschaftsmodus, der Objektivdeckel abgenommen, alle Einstellungen gemacht. Tool generieren alle Toneffekte live und die ersten tieffrequenten Bassgewitter kommen druckvoll über die in einer Linie angeordneten Woofer. Der ganze Körper scheint zu vibrieren. Hinter mir die tosende Menge, vor mir klassisch die drei dezent beleuchteten Arbeitsplätze von Gitarrist Adam Jones, Bassist Justin Chancellor und Schlagzeuger Danny Carey. In der Zwischenzeit halte ich die Kamera mit dem Finger am Auslöser bereit. Die Fans werden lauter, für uns noch nicht erkennbar betreten alle 4 Bandmitglieder die Bühne. Ruhig und konzentriert machen sie sich bereit, auch Maynard James Keenan wartet weit hinten und beginnt wie erwartet mit Ænima*, er haucht ins Mikro einige Meter zurückversetzt direkt vor mir. Die Lichteffekte setzen ein, nur einer bleibt im Dunkeln, es ist Maynard. Ich habe keine Wahl, muss um die Bewegungen festzuhalten bei einer vernünftig kurzen Verschlusszeit bleiben. Meine ISO-Werte blinken bei 6400. Ich weiss es ist zu dunkel, aber auf 12800 will ich nicht gehen. Ich gehe auf den Serienbildmodus … Für Sekundenbruchteile wird Maynard beleuchtet. Ich hoffe dass ich einige gute Momente festhalten kann. Der Fokus sitzt wie ich es von meinem Arbeitsgerät erwarte. Nach 3 Minuten fallen 8 Hologrammflächen, ähnlich wie Vorhänge. Nun müssen unsere Kamera’s auch noch dieses optische Hindernis überwinden. Wieder habe ich Glück. Ich finde einen Winkel direkt zu Maynard ohne Hindernis. Meine Kollegin möchte mit mir tauschen. Kein Problem, ich nutze die Zeit um einige Impressionen festzuhalten und die anderen Musiker natürlich. Ich habe nochmals die Gelegenheit Maynard abzulichten und drücke ab bis die Töne vom ersten Lied ausklingen. Die Security signalisiert mit der Taschenlampe – AUS! Wir müssen gehen, suchen den Weg nach draussen. Hinter uns geht die Türe zu. Auf einen Schlag ist es still. Es war verdammt dunkel, da sind wir uns einig. Wir beruhigen uns gegenseitig, packen alles wieder zusammen und werden nach draussen begleitet.
420 Sekunden fotografische Arbeit sind getan. War ich erfolgreich?
In zwei Stunden, wenn ich die Bilder gesichtet habe, werde ich es wissen.
Ich geniesse das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Einer der vier, die die Erlaubnis hatten dort zu sein. Auf der anderen Strassenseite ist eine Hotelbar. Ich bestelle mir ein kühles Bier und blicke auf die Konzerthalle vor mir. Unfassbar! Nie hätte ich im Traum gedacht, dass ich einmal so eine Chance bekommen würde. Vorbei sind die Zweifel. Ich bin überwältigt, schaue auf meine Uhr. Es ist 21:30. Claudia ist jetzt zuhause. Diesen Moment möchte ich mit ihr teilen, ich rufe an und erzähle von meinem Glück. Es fühlt sich verdammt gut an…
23:00 h: Ich bin zufrieden, nicht zu 100%, aber drei bis vier Bilder sehen vielversprechend aus. Noch zwei Stunden, dann ist das Gröbste gemacht.
01:30 h: Ein langer Tag geht zu Ende! Es wird einer der heissesten Tage im Jahr gewesen sein. Ich lehne mich zurück, ein kühles Bier in meiner Hand und ein zufriedenes Lächeln in meinem Gesicht.
Und die Bilder? Du findest hier den direkten Link. Nicole Imhof und dem ganzen Team von Artnoir habe ich zu danken. Es ist super, dass ich letztes Jahr die Chance bekommen habe. Ich kann mir nicht vorstellen, auf diese Faszination in Zukunft verzichten zu wollen…
*Ænima
Eine Wortschöpfung von TOOL was so viel wie Seelenreinigung bedeutet. Der Song pendelt zwischen Hilflosigkeit und grenzenlosem Hass hin und her, vor allem gegen die Menschen, die wie blind unsere Welt zerstören.