Wenn ich über das vergangene Musikjahr nachdenke, dann kommen mir ganz spontan folgende Begriffe in den Sinn: Vorverkauf, Konzertabsagen, Spielfreude, Konzertflut, Planungsunsicherheit, Adrenalin, Begeisterung, Teamwork. In der Folge möchte ich versuchen, das Ganze zu ordnen und dich an meinem letzten Jahr teilhaben lassen.
Beginnen wir chronologisch beim Jahresbeginn 2022. Nach den mageren Konzertjahren 2020 und 2021 hungerte ich nach Möglichkeiten wieder Konzerte zu besuchen, Musik live zu erleben und spezielle Momente für Artnoir, dich und mich festzuhalten. Unser Konzertkalender war so bunt wie noch nie. Nein, nicht weil so viele Konzerte zur Verfügung standen, sondern vielmehr, weil vor lauter Verschiebungen, Absagen und Standortwechseln der Überblick nur mittels verschiedener Farben einigermassen nachvollziehbar bleiben konnte. Im März war es dann soweit. Nicht weniger als vier Konzerte standen auf der Liste und ich hoffte inständig, dass nichts dazwischen kommen würde. Alle Konzerte fanden statt. Das neue Konzertjahr begann mit einem Rausch der Sinne. Im Dynamo durfte ich die Fontaines D.C. und ein begeistertes Publikum miterleben. In der Folgewoche dann die Whispering Sons im Bogen F. Volle Konzertsäle, begeisterte Fans und glückliche Veranstalter. Womit wir bei den Begriffen, Spielfreude, Adrenalin und Begeisterung angekommen sind.
Was in den kommenden Monaten folgte, war eine wahre Konzertflut. Die Artnoir- Musik Magazin Reporter und Fotografen waren unermüdlich im Einsatz um möglichst viele Konzert zu besuchen, Berichte zu schreiben, Fotostrecken zu erstellen und euch an speziellen Momenten teilhaben zu lassen. Da war Teamwork gefragt. Nicht nur unter uns im Magazin, sondern auch mit den Veranstaltern. Die Band’s hatten unterschiedliche Ansprüche und Vorstellungen wie sie möglichst sicher, will heissen, ohne COVID Ansteckung, ihre Tour durchführen konnten. Somit waren wir im Fotograben nicht immer erwünscht, sondern mussten von anderen Einsatzorten aus agieren. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass wir alle zusammenhielten. Schliesslich hatten wir zwei magere Jahre hinter uns und wir wollten das nicht leichtfertig auf Spiel setzen! Bei Gesprächen mit den Veranstaltern vor Ort spürte man, dass nicht alles so rosig war, wie es nach aussen hin wirkte. Immer wieder kam es vor, dass tolle Konzerte nicht gut besucht waren. Warum? Die Pandemie hatte Spuren hinterlassen. Viele Fans kauften ihre Tickets nicht mehr im Vorverkauf, sondern an der Abendkasse. Das ist verständlich, weil man doch in den vorhergehenden Jahren immer wieder damit konfrontiert wurde, dass Konzerte kurzfristig abgesagt werden mussten. Auf der anderen Seite führte dieses Kundenverhalten zu Konzertabsagen. Warum? Einerseits lagen viele Konzerte in grossen Städten terminlich viel zu nahe zusammen. Nicht selten spielten in Zürich am selben Abend drei tolle Band’s gleichzeitig. Wohin gehen? Das wiederum führte zu Planungsunsicherheiten bei Band’s und Interpreten. Der Vorverkauf verlief so schleppend, dass die Kosten nicht gedeckt werden konnten und so mussten Konzerte von kleineren Band’s, die nach zwei schwierigen Jahren nicht mehr viele Reserven hatten, kurzfristig abgesagt werden.
Diese Situation zeigt, dass wir noch immer in einer sehr fragilen Situation sind. Die finanzielle Situation vieler Band’s ist weiterhin kritisch. Trotzdem machen sie weiter, produzieren neue Alben und gehen damit auf Tour. Immer wieder dürfen wir erleben, wie grossartig der Moment sei kann, vor der Bühne zu stehen, zu jubeln und die Band’s zu feiern.
Ich durfte ein Konzertjahr erleben, dass alle anderen in den Schatten gestellt hat. Schlussendlich waren es 41 Konzerte, die meisten davon im Auftrag von Artnoir. Die besten Konzerte habe ich im Dynamo, im Bogen F und in der Roten Fabrik erleben dürfen. Diese Clubs sind klein genug, um die Interaktion von Fans und Musikern zu ermöglichen und gross genug um auch bekanntere Acts auf die Bühne zu holen. So geschehen mit den Fontaines D.C, Wolf Alice, Yanya Nilüfer, Deafheaven, BirdPen, DIIV oder Kim Gordon.