40 Jahre Bandgeschichte tönt nach mehr als es ist. Gerade mal drei Alben schafften die Specials inklusive dem neuesten Werk, wenn man es ganz genau nimmt.
Schnell stürmten sie die britischen Charts, doch genauso schnell konnten sie sich nicht mehr ausstehen. Sie waren die Türöffner vom Untergrund nach oben und draussen, wo sich alle Subkulturen, die nicht rechts waren, treffen durften: Mods und Punks, Rastas und Skins, Hippies und Rockabillies. In einem Umfeld geprägt von rassistischen Spannungen und hoher Arbeitslosigkeit formierte sich ende der 70er Jahre eine Band mit klaren Ansagen. Die Mitglieder bestanden aus gemischt-farbigen Musikern. Der Sound: Jamaica-Ska mit einem guten Schuss Punk gespielt von einer zweifarbigen Band macht zusammen Two-Tone.
The Specials tauchen Jahrzehnte nach ihrer Auflösung wieder auf mit einem «Brexit Album» und treffen mit einem Schlag die Achillesferse ihres Landes. Encore ihr neues Werk ist nicht einfach ein billiger Trick um mal wieder einen guten Grund zu finden um auf Tour zu gehen. Auch wenn der «Oberpolitker» der Band Jerry Dammers nicht mehr dabei ist, die Specials Veteranen haben ein gutes Gespür dafür den Finger auf die Wunde Grossbritanniens zu legen.
Mit diesen Background vorbereitet ging ich ans Konzert der Specials im «X-TRA». Wie würde es sich anfühlen wenn die drei alternden Herren vor ein Publikum treten würden, das die Entwicklungen des britischen Königreichs zwar politisch korrekt beobachtet, aber davon doch recht wenig betroffen ist? Was für Menschen würde man wohl erwarten? Angehende Pensionisten, die im Herzen Hippies geblieben sind?
Kurz nach 19 Uhr traf ich ein und musste feststellen, dass da schon deutlich mehr Fans vor Ort sind, als erwartet. Der Altersdurchschnitt lag über vierzig. Einige Herren hatten sich kostümiert, ganz im Stil der Rude Boys (schwarzer Anzug, Hosenträger, weisse Socken und schwarzer Hut). Jüngeres Publikum war auch vor Ort und auch einige Rastas. Politisch war ein deutlicher Hang nach links erkennbar, was ich auch erwartet hatte. Es herrschte grosse Vorfreude und locker-lässige Stimmung.
Five Rusty Horizons
Zuerst aber die Five Rusty Horizons. Ein Schweizer Musikduo, dass ursprünglich aus dem Grunge kommt. Ehrlich und bodenständig spielten Pat Wydler und Goren Bajic. Sie hatten aber ihre liebe Mühe, das Publikum in Stimmung zu bringen. Zu sehr wartete die Menge auf The Specials. Trotzdem machten die beiden gute Mine und brachten zum Abschluss ein fetziges Cover von Kenny Loggins «Danger Zone». «You’ll never know what you can do, until you get it up as high as you can go». Ob dieser Auftritt nun diesen Punkt markiert bleibt abzuwarten.
Zeitgemässer Protest
Schon das aufgebaute Bühnenbild machte klar, dass wir es hier mit politischem Protest zu tun haben. Nach einer kurzen Wartezeit wurde das «X-TRA» schlagartig in die Ära der atomaren Bedrohung und die politische Atmosphäre der späten 60er Jahre zurückkatapultiert. Doch wer nur ein Revival der alten Songs erwartete, wurde positiv überrascht. Nicht weniger als fünf Songs vom neuen Album «Encore» machten schnell klar, dass Terry Hall, Lynval Golding und Horace Panter nicht gewillt waren, nur in der Vergangenheit zu wühlen.
Den ersten Höhepunkt aus dem neuen Album markierte das zynische «Vote For Me». Der Track knüpft nahtlos an die alten Klassiker an. Während Horace Panter am Bass und Lynval Golding sehr munter auf der Bühne agierten, wusste man nicht so recht, was man von Terry Hall halten sollte. Müde wirkte der Leadsänger. Man hätte sich gewünscht, Terry würde ein wenig mehr tun, als lediglich die Songs abzuspulen. Doch dann schraubten sie einen Gang höher. Songs wie «Stereotype» und anschliessend «10 Commandments» mit Saffiyah Khan brachten druckvollen Sound in den Club. Über Saffiyah, die zusammen mit den Specials den Rocksteady-Song «10 Commandments» schrieb, sagte Terry Hall im Interview mit dem Tagesspiegel: «Auf dem Foto von Saffiyah, das um die Welt ging und auf dem sie als Gegendemonstrantin einem schreienden britischen Nationalisten lächelnd die Stirn bietet, trägt sie ein Specials-T-Shirt! Wir haben das gesehen und gedacht: Ist das cool! So eine tolle Reaktion, und das mit 17! Als wir das Album machten, wollten wir dann, dass Saffiyah dabei ist. Wir selbst können ausserdem keinen Song darüber schreiben, wie es ist, als Frau doof angemacht zu werden – sie schon.»
Ab jetzt gehörte die Bühne jenen Songs, welche The Specials in Grossbritanien berühmt gemacht hatten. Viel zu schnell gingen die Lichter das erste Mal aus. Mit «Ghost Town» und «You’re Wondering Now» ging der Abend würdig zu Ende. Keine alternden Pensionisten waren da auf der Bühne, sondern Musiker, die auch nach so langer Zeit noch etwas zu sagen haben. Sie predigten keine Revolution, sondern liessen ihre Musik sprechen, so aktuell wie damals. Genauso unterschiedlich wie die Stimmung der letzten beiden Titel, das beklemmende «Ghost Town» und das heitere «You’re Wondering Now» fühlte man sich. War es jetzt an der Zeit Hoffnung zu schöpfen? Oder würde es uns ähnlich ergehen wie den Specials, die nach ihrem Encore feststellen müssen, dass die Menschheit auch 40 Jahre später noch keinen entscheidenden Schritt weitergekommen ist. In der munteren und friedlichen Atmosphäre im X-TRA überwog dann doch die Hoffnung.
weitere Info’s
- Interview Terry Hall von laut.de und dem Tagesspiegel
- Konzertkritik NZZ
SETLIST
- Man at C&A
- Rat Race
- Vote for Me
- Friday Night, Saturday Morning
- Embarrassed by You
- Doesn’t Make It Alright
- The Lunatics
- Do Nothing
- Blam Blam Fever
(The Valentines cover) - A Message to You, Rudy
(Dandy Livingstone cover) - Stereotype
- 10 Commandments
(with Saffiyah Khan) - Nite Klub
- Do the Dog
(Rufus Thomas cover) - Concrete Jungle
- Monkey Man
(Toots & The Maytals cover) - Gangsters
- Too Much Too Young
Encore: - Ghost Town
- You’re Wondering Now
(Andy and Joey cover)
Quelle: setlist.fm