Wilco? Nie gehört!
Tatsächlich gehörte ich auch zu dieser Kategorie der unbewussten Wilco-Ignoranten, doch das sollte sich einige Tage vor dem Konzert gründlich ändern.
Am Vortag vor dem feinen Konzertabend im Theatersaal beglückte uns Jeff Tweedy mit der zweiten Singleauskopplung von «Ode to Joy». Nachdem ich Everyone Hides und das dazugehörige Video gesehen und gehört hatte wurde mir ganz schnell klar: die sind ja richtig gut! Und so ist der 18. September nicht einfach ein Auftragsabend für Bandfotos, sondern ein mit Spannung erwarteter Musikgenuss. Als blutiger Wilco Anfänger lasse ich mich gerne überraschen. Doch zunächst muss die Arbeit getan werden und Jeff Tweedy hat durchaus Ecken und Kanten. Es bleibt nicht bei der üblichen «Three Songs no Flash – Regel». Wir dürfen nur seitlich knipsen! Wir sechs Fotografen bemühen uns redlich Chef Tweedy nicht zu ärgern. Allerdings macht uns der Lichtmeister bei Song No. 1 Bright Leaves wirklich keine Freude. Alles ist tiefrot und wenn Fotografen eines nicht mögen, dann Rot! Aber ab Song zwei wird es deutlich besser.
Doch nun zum Vergnügen!
Nicht weniger als 26 Songs sollten folgen, mit fast 150 Minuten Konzertdauer wurden wir mehr als Gut bedient. Ich verfolgte das Konzert mit einem neuen Kollegen, den ich kurz vorher im Fotograben kennengelernt hatte. Wie sich herausstellte hatten wir nicht nur denselben Vornamen, sondern kamen beide aus Schaffhausen. Während wir also bei einem kühlen Bier den faszinierenden Kompositionen von Jeff Tweedy und seiner Mannschaft lauschten, konnten wir noch ein wenig fachsimpeln. Mit Via Chicago und einem wunderschönen Gitarrensolo von Nels Cline findet das Konzert seinen ersten Höhepunkt. Wilco spielten nicht weniger als sieben Songs von ihrem neuen Album. Auch die Dramaturgie der Songliste war geschickt gewählt. Everyone Hides folgte direkt auf das quirlig Box Full of Letters. Mühelos überspringt Tweedy mal eben schnell 23 Jahre – exakt so viele Titel wie bis zur Zugabe gespielt wurden.
Songs für die Ewigkeit
Während ich im Hintergrund stehe und die Songs auf mich wirken lasse, die wie aus einem Guss gespielt werden, mit viel Gefühl und Können, beobachte ich meinen Kollegen, der problemlos mein Sohn sein könnte. Ja, das sind Melodien und Arrangements, die Generationen überspringen. Wilco lassen sich Zeit und schaffen es so Stimmungen zum Publikum zu transportieren. Da werden nicht einfach Instrumente gespielt, sondern Melodien und Klangelemente entwickelt, die uns die Realität vergessen lassen. Nach knapp zwei Stunden nimmt sich die Band eine kurze Auszeit. Vier Zugaben folgen. Misunderstood macht erneut die ganze Bandbreite der Band hörbar. Mit The Late Greats und der Botschaft, dass die grössten Songs nie gesungen werden entlässt uns Jeff Tweedy. Doch er weiss es ganz genau und wir durften es heute Abend hören . . . Wilco sind verdammt nah dran!
weitere Info’s
- Konzertbericht INDIESPECT
- Konzertbericht ARTNOIR
- Portrait Jeff Tweedy NZZ
SETLIST
- Bright Leaves
- Before Us
- Company in My Back
- War on War
- One and a Half Stars
- If I Ever Was a Child
- Handshake Drugs
- Hummingbird
- At Least That’s What You Said
- White Wooden Cross
- Via Chicago
- How to Fight Loneliness
- Bull Black Nova
- Random Name Generator
- Reservations
- Impossible Germany
- Love Is Everywhere (Beware)
- Box Full of Letters
- Everyone Hides
- Dawned on Me
- Jesus, etc.
- Theologians
- I’m the Man Who Loves You
Encore:
- Misunderstood
- Hold Me Anyway
- California Stars
- The Late Greats
Quelle: setlist.fm